Praktisch
So wird Ihre erste Radreise zu einem gelungenen Abenteuer
Der Radtourismus kennt keine Krise: Seit seiner Erfindung dient das Zweirad als Fahrkarte in die Freiheit, ob für einen kurzen Tagesausflug oder eine ausgedehnte Tour rund um den Globus. Die Experten der Firma Randobike aus Vevey (VD) geben Tipps, worauf man achten sollte, bevor man sich das erste Mal in den Sattel schwingt.
In der heutigen Zeit, in der die Umweltauswirkungen unserer Freizeitaktivitäten und Urlaubsreisen zunehmend in den Mittelpunkt rücken, ist die sanfte Mobilität stark im Kommen. Auch das Radfahren, das durch die Neuentdeckung des Inlandstourismus während der Corona-Pandemie ein regelrechtes Comeback erlebte, bildet hierbei keine Ausnahme. Jonas und Matthieu Hoyois, die Inhaber von Randobike, einem Fachgeschäft für Reiseräder, verfolgen diese Entwicklung aus nächster Nähe. «Wir konnten einen echten Wandel der Gewohnheiten beobachten», stellen die beiden übereinstimmend fest. «Die Leute haben ihre Reisen und ihre Vorstellung von Urlaub grundlegend hinterfragt. Das Konzept des ‹Mikroabenteuers› hat sich ebenfalls in den Köpfen der Menschen etabliert. Es beruht auf der Idee, dass man auch vor der eigenen Haustür dem Alltag entfliehen kann.»
Die Fortbewegung aus eigener Muskelkraft ist für die beiden Brüder eine Lebenseinstellung. Jonas radelte fünf Monate bis in die Türkei und dreimal so lange, um die Anden von Süd nach Nord zu durchqueren. Matthieu ist erst kürzlich von seiner Südamerika-Reise von La Paz nach Santiago zurückgekehrt. Nichtsdestotrotz ermutigen die erfahrenen Radprofis alle abenteuerlustigen Neulinge auf dem Gebiet. «Ein Wochenendausflug mit dem Bike und einer Übernachtung im Zelt sorgt bereits für eine gehörige Portion Abwechslung, ohne dabei grosse Risiken einzugehen», sagt Jonas. «Es ist eine super Gelegenheit, um sich mit dieser Art der Fortbewegung und der Faszination, die von ihr ausgeht, vertraut zu machen.»
RADWANDERN ODER BIKEPACKING?
Radreisen lassen sich in zwei Lager unterteilen. Zum Glück ist es aber nicht notwendig, sich nur für eines zu entscheiden. Auf der einen Seite: das Radwandern – oder Touring für alle Liebhaber von Anglizismen –, bei dem man sein Fahrrad mit geräumigen Satteltaschen ausstattet und in ihnen eine recht umfangreiche Ausrüstung mit Ersatzkleidung, Camping- und Kochutensilien verstaut. Auf der anderen Seite: das Bikepacking, ein jüngerer Radreisetrend, der mit dem Aufkommen des Gravelbikes (einer Mischung aus Mountainbike und Rennrad) einhergeht und auf einer eher minimalistischen Philosophie beruht. Taschen werden möglichst nah am Rahmen, im besten Fall am Lenker oder Sattel, befestigt, um das Gleichgewicht des Fahrzeugs nicht unnötig zu beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Bei dem einen fährt man langsamer, aber weiter. Man reist vollkommen unabhängig und mit einem gewissen Grad an Komfort. Bei dem anderen legt man ein hohes Tempo vor, schläft aber unter freiem Himmel – oder sogar im Hotel.
WELCHES BIKE IST DAS RICHTIGE FÜR MICH?
Die Antwort auf diese Frage hängt von der Herangehensweise ab: Ein Tourenrad verfügt über einen robusten Rahmen, der häufig aus Stahl gefertigt und mit Befestigungspunkten für den Gepäcktransport versehen ist. Ausserdem zeichnet es sich durch eine erhöhte Sitzposition aus. Das leichtere und filigranere Gravelbike ist weniger komfortabel. Abgesehen davon gibt es eine goldene Regel: Das beste Bike ist das, mit dem man gut fährt. Ein älteres Zweirad eignet sich unter bestimmten Voraussetzungen durchaus für eine erste Tour. «Dicke Reifen und kleine Gänge, so lautet oft die Devise», behauptet Jonas Hoyois. «Die Reifen für den Fahrkomfort, die Gänge, um die Anstiege zu bewältigen, die mit einem voll beladenen Rad schnell mühsam werden.» Das Leitmotiv? Nicht etwa die Leistung, sondern der Spass sollte im Vordergrund stehen. Und noch ein kleiner Tipp: «Bevor man für ein paar Tage verreist, sollte man sein Touren- oder Gravelbike im Vorfeld unbedingt getestet haben! Legen Sie ein paar hundert Kilometer zurück, um sicherzugehen, dass Sie mit der Sitzposition, dem Sattel und dem Lenker zurechtkommen, sonst kann die Fahrt schnell unangenehm werden.»
WAS PACKE ICH EIN?
Sein Marschgepäck vorsorglich zu packen, ist für jede Wanderung entscheidend. Für eine Spritztour mit dem Zweirad gilt dies ebenso: Man sollte je nach Ausflugsdauer und Streckenverlauf gut abschätzen, was notwendig ist und worauf verzichtet werden kann. Ein Zelt, eine Isomatte und ein Schlafsack bedeuten zwar ein gewisses Mehrgewicht, ermöglichen es aber, überall sein Quartier aufzuschlagen. Bei den Velotaschen gibt es heutzutage eine breite Auswahl an Modellen in sämtlichen Formaten. Achten Sie auf robuste Materialien, die Ihre Sachen zuverlässig vor Witterungseinflüssen schützen und die Zeit überdauern. Um herauszufinden, welche Ausführung für Sie am besten geeignet ist, können Sie sich ein Bike ausleihen: Randobike und andere Anbieter vermieten voll ausgestattete Zweiräder für mehrere Tage.
WAS ZIEHE ICH AN?
Bequemlichkeit ist das oberste Gebot. Man sollte sich eher für lockere Sportkleidung entscheiden und das gelbe Trikot im Schrank lassen. «Ich bevorzuge ein leichtes Hemd, das nicht zu warm ist und gleichzeitig vor der Sonne schützt», erklärt Jonas Hoyois. Manche entscheiden sich für gepolsterte Shorts oder ein Sitzleder. Auch Regenkleidung ist wichtig, da man beim Radfahren schnell nass wird. Ein luftiger und angenehmer Helm, den Sie bei jedem Wetter auf dem Kopf tragen können, ist ebenso empfehlenswert.
WAS MUSS ICH IM FALLE EINER PANNE IM GEPÄCK HABEN?
Man kann nicht alles voraussehen, aber es gibt ein paar Dinge, die man im Werkzeugbeutel haben sollte, um für die typischsten Pannen gerüstet zu sein:
eine Pumpe,
Schmiermittel für die Kette,
Material für einen Reifenwechsel
(Reifenheber, Flickzeug, Schlauch),
ein Multitool zum Festziehen einer
Schraube oder zum Verstellen des Sattels,
ein paar Ersatzteile (Schalt- und
Bremszüge, Bremsbeläge).
Werkzeug im Gepäck zu haben ist gut, es auch benutzen zu können, ist besser. Üben Sie vor der Abreise die häufigsten Handgriffe. Wer völlig autark und auf der sicheren Seite sein will, dem sei ein Reparaturkurs ans Herz gelegt.
WIE BEREITE ICH MEINE ROUTE VOR?
Hier liegt vermutlich der Schlüssel für eine erfolgreiche Radreise: Ihre topografische Karte ist das weisse Blatt, auf dem Sie Ihr Outdoor-Abenteuer gestalten. Was raten die Experten? «Orientieren Sie sich fürs Erste an Wasserläufen», empfiehlt Matthieu Hoyois. «Folgen Sie dem Lauf eines Flusses oder umrunden Sie einen See. So vermeiden Sie allzu grosse Höhenunterschiede.» Die Routen von SchweizMobil sind gut ausgeschildert, aber mitunter mit kräftigen Steigungen verbunden. Wenn Sie die Lust verspüren, an Ihr Limit zu gehen, sollten Sie das französische Wegenetz der «Voies Vertes» ins Auge fassen oder sich die Karten der EuroVelo-Routen zu Gemüte führen. Jonas Hoyois fügt hinzu: «Man sollte sich aber keine zu hohen Ziele setzen. Sich bewusst Zeit zu nehmen, gehört zum Radwandern ebenfalls dazu.»
MIT PROFIS AUF REISEN GEHEN
Sie trauen sich eine mehrtägige Fahrt noch nicht allein zu? Dann starten Sie mit professioneller Unterstützung in Ihr erstes Touring-Abenteuer: Randobike bietet seit Kurzem eine Reihe von Einsteiger-Radtouren an. Im August und September haben Sie die Möglichkeit, sich in einer kleinen Gruppe auf eine zwei- oder dreitägige Radtour zu begeben. Die 70 bzw. 150 km lange Strecke führt Sie auf die St. Petersinsel oder um den Murtensee. In Begleitung eines erfahrenen Outdoor-Guides müssen Sie sich weder um die Route noch um die Logistik kümmern.
WIE VIEL ZEIT SOLLTE ICH EINPLANEN?
Wenn Sie zum ersten Mal mit dem Bike aufbrechen, genügen für gewöhnlich zwei oder drei Tage, um sich einen Eindruck von dieser Art des Reisens zu verschaffen, die Zuverlässigkeit und den Komfort der Ausrüstung zu testen und die Lust auf eine längere Reise zu wecken. Der nächste Schritt wäre dann eine einwöchige Tour. «Um richtig in Fahrt zu kommen, braucht man etwa drei Wochen», so Jonas Hoyois. «Es braucht ein bisschen Zeit, um sich auf die Langsamkeit dieses Fortbewegungsmittels wirklich einzulassen.»
LASSE ICH DIE KINDER LIEBER ZU HAUSE?
Auf gar keinen Fall! Radreisen eignen sich wunderbar für die ganze Familie. Natürlich ist die Ausrüstung dem Kindesalter entsprechend anzupassen: Kleinere Kinder machen es sich gern in einem regen- und sonnengeschützten Anhänger (als Ein- oder Zweisitzer erhältlich) bequem. Auch in einem Kindersitz, der hinter dem Sattel oder am Rahmen montiert ist, lässt sich gut ein Nickerchen einlegen. Bei grösseren Kindern, die bereits eigenständig in die Pedale treten können, lohnt sich eine Tandemkupplung (des Typs «FollowMe»). Auf verkehrsreichen Abschnitten kann man die kleinen Radler so problemlos ins Schlepptau nehmen und sie auf ruhigeren Strecken eigenständig fahren lassen. Passen Sie die Route in jedem fall an dieses anspruchsvolle Publikum an: Planen Sie kurze Etappen und regelmässige Pausen ein, damit sich alle die Beine vertreten können.