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Das Labor, das die Solarenergie revolutioniert


In den Räumlichkeiten des Neuenburger Innovationszentrums Microcity arbeitet das Physikerteam von Professor Christophe Ballif daran, den Wirkungsgrad von Photovoltaikmodulen zu erhöhen.

Im Labor herrscht eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre: geschäftige Gestalten in weissen Arbeitskitteln, summende Computer, ein kurzer Wortwechsel mit gedämpfter Stimme. Hier, in der unteren Etage eines der Gebäude des Neuenburger Innovationszentrums der EPFL und des Schweizerischen Zentrums für Elektronik und Mikrotechnik (CSEM), arbeitet ein Forschungsteam an einer Revolution in der Welt der erneuerbaren Energien: Solarzellen, die ein Drittel mehr Strom produzieren als die bislang erzielte Maximalleistung. Eine beachtliche Herausforderung: Bei einem höheren Solarertrag pro Quadratmeter kann die Grösse der Solaranlagen entsprechend reduziert werden, was auch optische Vorteile mit sich bringt. Der leitende Professor Christophe Ballif fügt hinzu: «Das bedeutet, dass wir nicht nur die Installationskosten einsparen, sondern auch weniger Rohstoffe pro erzeugter kWh benötigen. Folglich sinken der Preis und die erforderliche graue Energie.»

ZWEI STUDIEN, EIN ZIEL

Das erste Projekt befasst sich mit der E »- zienzsteigerung von Silizium-Solarzellen: Durch Kathodenzerstäubung, eine Methode der Oberflächenbehandlung, bei der eine extrem dünne Materialschicht aufgetragen wird (sogenanntes Sputtern), wird ein neuer Kontakt auf das Silizium aufgebracht. «Auf diese Weise können wir uns dem theoretisch maximalen Wirkungsgrad dieses Zellentyps annähern», erklärt Ballif. Der Wirkungsgrad, also das Verhältnis zwischen der von der Solarzelle eingefangenen Lichtenergie und der Energie, die sie in Strom umwandelt, liegt heute zwischen 21 und 23 %. Mit dem neuen Verfahren könnte dieser Wert auf mindestens 25, ja sogar 26 % steigen. Die grössten Ho!nungen ruhen jedoch auf der zweiten Studie. Sie befasst sich mit der Frage, wie das Lichtspektrum von der Solarzelle e »zienter genutzt werden kann. «Silizium absorbiert Licht vom ultravioletten bis zum infraroten Bereich. Die Spannung, also die erzeugten Volt, wird jedoch durch den infraroten Teil des Spektrums bestimmt. Bestenfalls kann man etwa 0,75 V erzielen, wohingegen die blauen Photonen theoretisch 3 V liefern könnten. Wir suchen also nach einer

 

«Wir suchen nach einer Möglichkeit, den sichtbaren und den infraroten Teil des Sonnenlichts besser zu verwerten.»

 

Möglichkeit, den sichtbaren und den infraroten Teil des Sonnenlichts besser zu verwerten.» Der vielversprechendste Weg besteht darin, zwei Zellen mit unterschiedlichen
Eigenschaften zu kombinieren. Das Verfahren ist nicht neu: «In der Raumfahrt nutzt man es bereits», bemerkt Christophe Ballif. «Allerdings ist diese Dieser äusserst hochwertige Halbleiter, der als Lösung in einer dünnen Schicht auf das Silizium aufgetragen wird, steigert den Wirkungsgrad der Solarzelle um ein Vielfaches und knackt die symbolische Marke von 30 %. Im Juni 2022 stellte das Team von Professor Ballif mit 31,25 % einen Weltrekord auf. Zum ersten Mal überschritt ein vergleichsweise kostengünstiges Material die 30-Prozent-Barriere. Inzwischen wurden die Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift «Science» veröffentlicht. Nun gilt es, die Umsetzbarkeit dieses neuen Photovoltaikmodultyps nachzuweisen, dernochmiteinigen technischen Hürden zu kämpfen hat, bevor er in industriellem Massstab entwickelt
werden kann. Das Ganze vor dem Hintergrund eines sehr wettbewerbsintensiven Umfelds. «Die erste Herausforderung besteht darin, mit einer möglichst einfachen Technik einen höheren Wirkungsgrad zu erzielen, damit das Verfahren sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Vorteile bringt», fasst Ballif zusammen. «Die zweite Herausforderung ist die ‹Stabilisierung› der Perowskit-Solarzellen, die bisher noch Technologie sehr teuer, sie kostet etwa zweitausend Mal so viel wie eine herkömmliche Siliziumzelle.» Womöglich hat er aber den entscheidenden Trumpf in der Hand, um diesen Ansatz erschwinglicher zu machen: ein Material namens Perowskit (siehe Kasten unten).

Dank der von Christophe Ballif und seinem Team entwickelten Technologie hat der Wirkungsgrad einer Solarzelle die 30-Prozent-Marke geknackt – ein neuer Rekord.

macro shooting of natural mineral rock specimen - crystalline Perovskite stone on white marble background

VIELVERSPRECHENDES PEROWSKIT

Im Bereich der Solarenergie ist sein Name allgegenwärtig: Perowskit. Es  handelt sich um ein recht weit verbreitetes Mineral, das sichtbares Licht besonders effizient einfängt und eine Spannung von mehr als 1,25 V erzeugt. Hier unterscheidet es sich von herkömmlichen Siliziumzellen, die zwar mehr Strom liefern, aber eine niedrigere Spannung aufweisen. Dieses neue Material, dessen Bestandteile in grosser Menge im Erdmantel vorkommen, gibt Anlass zu vielerlei Spekulationen.

WIE FUNKTIONIERT
SOLARENERGIE?

Licht in Elektrizität umwandeln: leichter gesagt, als getan. Das Herzstück dieses kleinen physikalischen Wunders ist eine Photovoltaikzelle, die aus Silizium besteht. Dieser Halbleiter ist auf der Erde reichlich vorhanden – er kommt zum Beispiel in Sand oder Quarz vor – und sorgt dafür, dass sich die Elektronen, aus denen seine Atome bestehen, im Kontakt mit den vom Sonnenlicht emittierten Photonen bewegen. Diese Bewegung wird von den beiden Polen der Zelle kanalisiert und erzeugt einen elektrischen Strom.

DIE ENERGIE DER ZUKUNFT

Die Stadt Neuenburg ist im Bereich der Solarenergie führend, bereits seit den 1990er Jahren wird hier geforscht. «Die Kooperation zwischen der EPFL im Bereich der Forschung und dem CSEM im Industriesektor ermöglicht es, ein umfangreiches und gleichzeitig praxisorientiertes Know-how zu entwickeln. Nicht alle Labore können dieses Fachwissen und diese Dynamik vorweisen.» Ein entscheidender Vorteil, insbesondere weil sich die Photovoltaik immer mehr als die Energiequelle der Zukunft etabliert: Theoretisch könnte der Strombedarf der Schweiz allein durch die Nutzung von Dächern und Fassaden abgedeckt werden, und das sogar ohne die Solarparks auf Parkplätzen, ausserhalb der Siedlungen oder in den Bergregionen – und ohne eine mögliche Leistungssteigerung der Module. «Um die Produktionsschwankungen zwischen Sommer und Winter oder Tag und Nacht auszugleichen, müsste man diese Energiequelle mit Wasserkraft, Windkraft und Biomasse kombinieren. Und nicht zuletzt müssen wir als Verbraucher sparsamer werden.» Auch im Bereich des Recyclings tut sich etwas. «Es ist nicht wirklich kompliziert, ein Photovoltaikmodul zu recyceln», betont der Wissenschaftler. «Es besteht hauptsächlich aus Glas und Kunststo! sowie aus Silizium, das zurückgewonnen werden kann. Seine Lebensdauer beträgt schätzungsweise 30 Jahre – das ist weit mehr als die eines Smartphones!» Die heutigen Module können in verschiedenen Formaten und unzähligen Farbnuancen produziert werden und eignen sich beispielsweise für die Herstellung von Dachziegeln. Knowhow, Nachhaltigkeit, E »zienz und Wiederverwertbarkeit: In einer Zeit, in der die Energieversorgung ein heiss diskutiertes Gesprächsthema ist, scheint der Schweizer Solarbranche eine strahlende Zukunft beschieden.