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Das Haus der Umwelt, von Natur aus Sparsam


Der Sitz der Generaldirektion für Umwelt in Lausanne ist ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige Architektur. Das nahezu vollständig aus Holz und Lehm errichtete Gebäude birgt hinter seiner schmucklosen Fassade geniale, ressourcenschonende Low-Tech-Lösungen.

Oberhalb von Lausanne, in unmittelbarer Nähe zur Metro- Linie M2, befindet sich das Maison de l’environnement (MEV) in einem Quartier, das derzeit einen starken Immobilienzuwachs verzeichnet. Nachdem man sich zwischen Kränen und Bauplanen einen Weg gebahnt hat, kann man es aus einiger Entfernung sehen. Es steht auf einer Wiese mitten im Grünen, in der Nähe eines Wäldchens, das dem Bachlauf der Vuachère folgt. Das MEV, wie es allgemein genannt wird, entstand 2021 mit dem Ziel, 160 Mitarbeitende der Generaldirektion für Umwelt des Kantons Waadt (DGE), die damals auf mehrere Orte verteilt waren, an einem einzigen Standort unterzubringen. Eher unscheinbar wirkt das Gebäude mit der grauen Holzfassade, die einem Gewebe aus Kett- und Schussfäden gleicht. In seiner Form entspricht es seiner Funktion, bei der drei Grundprinzipien massgebend sind: Sparsamkeit, Zirkularität und Recycling. Alles, von der Wärmepumpe bis zu den Sonnenkollektoren, von der natürlichen Belüftung bis zur Regenwassernutzung wurde bestens durchdacht, um das Bauwerk zu einem ökologischen Vorzeigeprojekt zu machen. Das MEV ist das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs, den die JPF Entreprise Générale SA und das Lausanner Büro Ferrari Architectes SA für sich entscheiden konnten. Die Architekten strebten einen Bau an, der die Kriterien der Labels Minergie-P-Eco und Sméo erfüllt, und planten ein kompaktes Gebäude, um die Innenräume auf natürliche Weise zu temperieren und zu

 

«Der Bau wurde bis ins kleinste Detail von seinen künftigen Nutzern durchdacht.»

 

belüften. Für die Generaldirektion für Umwelt (DGE) bestand die Herausforderung auch darin, ein Paket kostengünstiger Technologien umzusetzen, die den Anforderungen des Klimaschutzes entsprechen. «Das Lastenheft, das zu Beginn des Projekts im Jahr 2014 erstellt wurde, war wirklich sehr umfangreich», erinnert sich Ivan Venticinque, Architekt bei der DGE. Ohne kollektive Intelligenz wäre das Haus der Umwelt jedoch nicht das, was es ist. «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DGE haben ihr g balltes Wissen und Können in das Projekt eingebracht. Der Bau wurde bis ins kleinste Detail von seinen künftigen Nutzern durchdacht», erklärt Camille Orthlieb, Leiterin für nachhaltiges Bauen bei der Generaldirektion für Gebäude und Kulturerbe (DGIP).

EINE INNERE STRUKTUR AUS LEHM

Werfen wir einen Blick ins Innere. Kaum hat man die Eingangsschwelle überschritten, gelangt man in eines der beiden begrünten Atrien, die sich über die gesamten drei Stockwerke des Gebäudes ö!nen. Alles wirkt geräumig und freundlich. Beim Blick nach oben erspäht man durch das Glasdach den an diesem späten Nachmittag noch strahlend blauen Himmel. Die als Orte des Austauschs und der Begegnung konzipierten Lichthöfe fungieren obendrein als die Lungen des Gebäudes, da sie für eine natürliche Belüftung sorgen. Eingefasst sind sie von hohen Stampflehmwänden, die aus 6000 Terrapad-Lehmblöcken errichtet wurden. Diese Bausteine bestehen aus dem Aushubmaterial regionaler Baustellen. So konnten geringe Entfernungen zwischen der Produktionsstätte und der Baustelle gewährleistet werden, was den ökologischen Fussabdruck des Gebäudes deutlich verringerte. Der erdige Farbton und die unregelmässige Beschaffenheit der Steine verleihen dem Ensemble ausserdem eine behagliche Atmosphäre.
Beim Gang durch die Stockwerke ist man erstaunt, wie perfekt die Lehmziegel mit dem allgegenwärtigen Bausto! Holz harmonieren. Die Gebäudehülle und das Tragwerk (4500 m3) bestehen zu 95 % aus Holz, und zwar hauptsächlich aus Fichtenholz aus den kantonalen Wäldern. Einzig das Untergeschoss und das Fundament (die Bodenplatte) wurden aus recyceltem Beton gefertigt. «Im Sägewerk wurde sogar eine ganze Fertigungslinie reserviert, um die eindeutige Herkunft der Holzteile zu garantieren. Jedes Element ist zudem dank eines QR-Codes zu 100 % rückverfolgbar», erläutert Camille Orthlieb. Die relativ kleinen Arbeitsbereiche sind so konzipiert, dass sie ein grosses Mass an Gestaltungsfreiheit erlauben. So ermöglichen Trennwände die Umwandlung von Büros in Besprechungsräume und umgekehrt. Viele Komponenten (Wände, Türen, Linoleumböden) sind zudem zerlegbar und können am Ende ihrer Nutzungsdauer wiederverwertet werden.

EIN ORT, DER BIODIVERSITÄT BEGÜNSTIGT

Auf dem Dach befinden sich rund 400 m2 Photovoltaikmodule, mit denen sich das MEV für den Grossteil des Jahres autark mit Strom versorgen kann. Die mit Treibholz durchsetzte Dachbegrünung fördert die biologische Vielfalt. Sie beherbergt Bienen und laut der letzten Zählung von Ivan Venticinque über vierundzwanzig Brutstätten von Mauerseglern und Schwalben. Auf der Bachseite im Osten wurde zudem eine Aue angelegt, um Drainage- und Regenwasser aufzunehmen und ebenfalls die Biodiversität des Standorts zu bereichern. «Der Bezug zur Natur wird auch im Inneren des Gebäudes über die begrünten Atrien hergestellt. Eines von ihnen ist ohne Bodenplatte konstruiert, was die Verwurzelung der Pflanzen begünstigt und eine direkte Verbindung zwischen dem Gebäude und dem Freiland scha!t», erklärt Ivan Venticinque. Unser Rundgang endet im Untergeschoss mit den technischen Einrichtungen: den Archiven, der Abfallentsorgung und der Wärmepumpe, die von acht Erdwärmesonden gespeist wird, welche 250 m tief in die Erde reichen. Hier befindet sich auch ein Parkplatz mit 36 Stellplätzen, die über ein temporäres Mietsystem zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen. Letztlich ist das MEV ein Win-Win-Projekt auf ökologischer und menschlicher Ebene. «Es kommt häufiger vor, dass uns grosse Konzerne besuchen, um sich inspirieren zu lassen», freut sich Ivan Venticinque.

IN ZAHLEN

  • 2021, Datum der Inbetriebnahme.
  • 166 Arbeitsplätze.
  • 18,5 Millionen Franken, Gesamtkosten der Bauarbeiten.
  • 2575 m2 Nutzfläche.
  • 800 m2 Lehmmauer.
  • 287 Fenster.
  • 4500 m3 Holz, hauptsächlich Fichte.
  • 4 Zertifizierungen: entspricht den Standards Minergie-P-Eco, Sméo Energie + Umwelt, Zertifikat der Stiftung Natur & Wirtschaft, Label Schweizer Holz.

Neben den Lehmblöcken kam vorwiegend Fichtenholz aus kantonalen Wäldern beim Bau des Gebäudes zum Einsatz.

Das Maison de l’environnement oberhalb von Lausanne besticht durch eine dezente Fassade aus grauem Holz, die wie ein Gewebe beschaffen ist.

EIN SOLIDER LEHMZIEGEL

Das Genfer Unternehmen Terrabloc entwickelte eigens für das Projekt den Terrapad, einen Lehmziegel, der sich durch seine Grösse (80 cm lang, 30 cm breit und 15 cm hoch) vom Standardziegel unterscheidet. Ziel war es nämlich, den Atrien ein «solides» Aussehen zu verleihen. Neben seinen ökologischen Vorzügen reguliert Lehm die Raumtemperatur durch Wärmeträgheit, absorbiert Feuchtigkeit und trägt zu einem gesunden Raumklima bei, da er eine gute Schallisolierung gewährleistet und keine flüchtigen organischen Verbindungen freisetzt. Obwohl die Ziegelsteine jeweils nur knapp 70 kg wiegen, war es aufgrund des Platzmangels auf der Baustelle nicht möglich, einen Kran aufzustellen, um das Verlegen der Steine zu erleichtern. Auch die Verwendung von Sauggreifern (bei Regen unbrauchbar) oder Zangen (Gefahr von Abdrücken) war nicht möglich. Die 6000 Terrapads wurden daher von einem Team motivierter und speziell ausgebildeter Maurer mit viel Muskelkraft verlegt.

DIE ARCHITEKTEN

Das Architekturbüro Ferrari Architectes wurde vor über dreissig Jahren von Jean-Baptiste Ferrari in Lausanne gegründet. Die behandelten Themen umfassen nahezu die gesamte Bandbreite der menschlichen Aktivitäten. Auch der von dem Unternehmen konzipierte Gebäudekorpus zeugt von dem Bestreben, den Menschen und seine Umwelt in den Mittelpunkt zu rücken. Ferrari Architectes hat zahlreiche Wettbewerbe in der Region gewonnen, darunter das künftige Kinderkrankenhaus am Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), das neue Collège in Bex, die Erweiterung des Geschäftssitzes der Vaudoise Versicherungen in Lausanne sowie die Renovation des Rathauses in Morges.