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BROT POLIERTSEIN IMAGE AUF


Es ist auf jedem Tisch und in aller Munde, und doch wurde es lange Zeit zur blossen Beilage degradiert. Nun wird das Brot von handwerklichen Bäckereien neu interpretiert und in Sternerestaurants in Szene gesetzt. Zwischen dem Wiederaufleben des Sauerteigs, kurzen Vertriebswegen und alten Getreidesorten erlebt die Backware eine regelrechte Renaissance.

Brot – authentisch, vollwertig und wieder salonfähig

Es ist das beliebteste Nahrungsmittel der Schweizer, doch die grosse Furcht vor dem Gluten brachte ihm einen faden Beigeschmack ein. Seit den 1950er Jahren ist der Brotkonsum um 30 % zurückgegangen. Eine Handvoll Handwerksmeister bemüht sich nun, das Image der Backware wieder aufzupolieren, mindem sie alten Techniken und Getreidesorten wieder mehr Beachtung schenken.

Brot und Wein, schon an der Tafel Christi hatten sie ihren festen Platz. Auch bei Romain Paillereau, im Restaurant Trois Tours in Bürglen (FR), darf beides nicht fehlen. Jedes Menü besticht durch eine erlesene Auswahl an Backwaren und das Zusammenspiel der Aromen ist wohlüberlegt. Etwas Roggenbrot zur Verfeinerung eines Fischgerichts, oder ein verblü!endes Kakaobrot, um die Aromen seines Kakao- Petersilien-Lauchs zu unterstreichen. «Brot ist ein vielseitiges Nahrungsmittel: Es ist in aller Munde. Wie beim Wein gilt es auch hier, die passende Kombination zu finden. In einem Gourmetrestaurant muss dieser Aspekt einfach stimmen.» Der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Spitzenkoch erinnert sich noch lebhaft an das Kreuz, das seine Eltern mit dem Messer auf die Kruste zeichneten, bevor sie einen Laib Brot anschnitten. Damien Germanier greift diese Erinnerung auf: «Ich bin nicht besonders gläubig, aber Brot ist in unserer Vorstellung eng mit dem Abendmahl und dem Gedanken des Teilens verknüpft.» Aus diesem Grund hat der Walliser vor einigen Jahren beschlossen, auf

 

«Es ist uns klar geworden, dass sich einige Dinge ändern müssen, wenn die Branche fortbestehen will.»

 

einzelne kleine Portionen zu verzichten. An seiner Tafel in Sitten – ein Stern im Guide Michelin und 17 Punkte im Gault&Millau – müssen die Gäste nun das Brot brechen, das angerichtet auf einem bescheidenen, rustikalen Brettchen daherkommt. Es entspricht dem Charakter des Produkts. Es mag paradox klingen: Das meistverzehrte Nahrungsmittel der Schweiz hat die Einfachheit von einst wiederentdeckt und an Vielfalt gewonnen. Dinkel, Einkorn, Emmer, Leinsamen, Kürbiskerne … Die Kunden kleinerer Bäckereibetriebe haben mittlerweile die Qual der Wahl. «Brot ist wieder salonfähig», sagt Emeric Rousseau, Gründer der Cave à Levain in Champlan (VS). Der Wahlwalliser ist seit 25 Jahren im Geschäft und hat miterlebt, wie sich seine Branche zusehends verändert und dasImage der Backware verschlechtert hat. «Ich weiss nicht, ob es tatsächlich mehr Unverträglichkeiten gibt oder ob die Mittel zur Erkennung e »zienter geworden sind. Mittlerweile ist uns aber klar geworden, dass sich einige Dinge ändern müssen, wenn die Branche fortbestehen will.»

«SEIN HANDWERK VERSTEHEN»

Die Statistiken des Bundes belegen es: Der Brotkonsum ist in der Schweiz in den vergangenen 75 Jahren um 30 % zurückgegangen. Im Durchschnitt isst jeder Einwohner heute 42 kg Brot pro Jahr, gegenüber 49 kg im Jahr 2009. Schuld daran sind «die Missstände in der Industrie», so Grégory Wyss und Séverin Gerber. «Das Problem ist nicht das Gluten an sich, sondern die Tatsache, dass man das Getreide extrem ra »niert hat, damit es leichter anzubauen und zu verarbeiten ist. Man hat ihm jeglichen Nährwert entzogen.» In Yverdon (VD) eröffnete das Duo 2017 eine Bäckerei im ehemaligen Gemeindebackhaus der Stadt. Hier setzt man auf Sauerteig, langsame Gehzeiten und rustikale, «aber auch anspruchsvollere», Getreidesorten, wie Séverin Gerber erklärt. Es ist ein Schritt zurück: Wir kehren zu einem authentischen Produkt zurück, so wie man es vor 100 Jahren produziert hat. Doch das setzt voraus,  dass man sein Handwerk versteht.»

HANDARBEIT UND REGIONALE ROHSTOFFE

Nicht alle sind bereit, diesen Schritt zu wagen: «Wir sind ein überschaubarer Kreis. Es bleibt eine Nische für Liebhaber», sagt Emeric Rousseau. «Unsere Rohsto!e sind teurer und wir benötigen mehr Arbeitskraft. Unsere Preise sind höher, aber unsere Gewinnspanne geringer.» Laurent Buri und Thomas Marie, die seit fünf Jahren unter dem Label Bread Store zusammenarbeiten, berichten von einer Spaltung der Kundschaft. «Das beobachten

 

«Es ist ein Schritt zurück: Wir kehren zu einem authentischen Produkt zurück, so wie man es vor 100 Jahren produziert hat.»

 

wir nicht nur in unserer Branche. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die qualitätsbewusst einkaufen, und auf der anderen Seite die, die weiterhin auf Supermarktprodukte zurückgreifen, weil ihnen das Interesse oder die finanziellen Mittel fehlen. Wir hatten schon Kunden, die mich fragten, warum ein Nussbrot bei uns 5,50 Fr. kostet, während man es im Einzelhandel für 3,50 Fr. bekommt …» Die Erklärung ist einfach: «Glutenarmes Getreide muss von Hand verarbeitet werden. Darüber hinaus legen wir Wert darauf, lokale Rohsto!e zu verwenden. Wir erwarten von unseren Kunden, dass sie Regionalität unterstützen. Alles andere wäre unglaubwürdig», beteuert Laurent Buri.

VOM FELD ZUR MÜHLE UND IN DEN OFEN

Für die Handwerker war diese Umstellung kein Selbstläufer. «Vom Feld über die Mühle bis in den Ofen musste eine ganze alternative Produktionskette aufgebaut werden», fährt Emeric Rousseau fort. Dieser bezieht sein Getreide bei fünf Walliser Landwirten. Thomas Marie verwendet Butter aus der Molkerei in Chesales-sur-Oron, Eier aus Aigle und bescha!t sich einen Teil seines Mehls selbst in Mollie-Margot (VD). Grégory Wyss und Séverin Gerber bekommen ihr Mehl von der Ferme du Petit Noyer in Suchy (VD). «Das Mehl, das wir verwenden,wird auf Stein gemahlen. Dadurch bleiben die Nährstoffe erhalten». Mit jedem Zulieferer entsteht eine kleine Geschichte, die die Bäcker nur allzu gern hervorheben. Und auch am anderen Ende der Kette geben die Küchenchefs ihre Begeisterung preis. Auf dem Instagram-Profil des Restaurants Pont de Brent zeigt ein farbenfroher Teller eine Brotkugel und würdigt damit die Arbeit von Thomas Marie. Er erhielt 2007 den Titel «Meilleur Ouvrier de France» und beliefert unter anderem das Palace und das Royal Savoy in Lausanne, das Trois Tours in Bourguillon, das Grand Hôtel du Lac von Guy Ravet in Vevey (VD) sowie kleinere, erlesene Brasserien. Jeder Chefkoch hat seine eigenen Vorlieben: Viele, wie Damien Germanier, bevorzugen ein reines Sauerteigbrot, das leichter bekömmlich und haltbar ist. «Es ist schmackhaft, überlagert aber nicht die Aromen des Gerichts», wie der Walliser betont. Andere suchen nach Komplexität oder Vielfalt, wie Grégory Wyss und Séverin Gerber, die das 2020 erö!nete Restaurant im alten Rathaus nutzen, um ihre Kreationen vorzustellen. Während sich die einen von Handwerksmeistern beliefern lassen, produzieren andere direkt vor Ort, wie Fiona und Christian Aeby im Restaurant Du Bourg in Biel (BE). Worauf das Paar Wert legt: «Wir wollen so viel wie möglich selbst machen. Wir können das Brot backen, das wir wirklich wollen, mit einer längeren Gehzeit. Das findet man in den Bäckereien heute kaum noch», erklärt Fiona. «Mein Mann hatte eine Ausbildung zum Bäcker-Konditor angefangen, die er aufgrund von Allergien abbrechen musste.» Sie alle rühmen die Einfachheit dieses lange Zeit zur Beilage degradierten Nahrungsmittels, das nun wieder in den Vordergrund gerückt ist. Im Übrigen verbietet es der Anstand nicht, das Brot bei Tisch einzutunken, wie Damien Germanier gerne betont. «Manche Gäste trauen es sich nicht und bitten mich um einen Löffel. Ich lehne das kategorisch ab: Dafür ist das Brot ja da! Ich sehe es sogar als Kompliment für den Koch.»

David Genillard

DER DINKEL IST FÜR DIE BRANCHE EIN HARTES BROT

Alte Sorten finden immer häufiger den Weg in die Backstuben, doch für viele Landwirte bleiben diese Kulturen eine Nische. Bei Swiss Granum, dem nationalen Dachverband der Getreidebranche, tut man sich schwer, das Wachstum dieses Sektors abzuschätzen. «Die Produktion kann aus verschiedenen Gründen von einer Ernte zur nächsten schwanken. Es handelt sich um kaum verbreitete Kulturen. Zwischen 2016 und 2022 hat sich die Menge von Emmer und Einkorn verdreifacht, bei einem Zuwachs der Anbaufläche von lediglich 200 Hektaren», betont Stephan Scheuner. Der Direktor von Swiss Granum berichtet, dass im gleichen Zeitraum auch Dinkel an Popularität zugelegt hat. Die Flächen für dieses Getreide sind seit 2016 um rund 70 Prozent gestiegen. Im Vergleich zu den Weizenanbauflächen bleiben sie aber immer noch überschaubar: 8700 Hektaren gegenüber 68! 600 Hektaren beim Weizen. Diese Entwicklung macht sich auch an den Verkaufsständen bemerkbar. Die Schweizer kehren dem Weissbrot zunehmend den Rücken und greifen vermehrt zu rustikaleren Sorten. Eine Begleiterscheinung, die das Bäckerhandwerk freut: Obwohl der Pro-Kopf-Konsum seit den 1950er Jahren zurückgegangen ist, stieg der Umsatz der Branche bis 2022 um 4,4 Prozent auf 2435 Millionen Franken, wie aus den im Juni veröffentlichten Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft hervorgeht.