AUF DEN SPUREN SELTENER REBSORTEN

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Die Aktualität des Westschweizer Terroirs

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Road Trip auf den Spuren Seltener Rebsorten

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Pierrot Ayer, der Geschmack des Terroirs

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Orma, ein Graubündner Whisky aus luftiger Höhe

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Das Entlebuch, ein ländliches Idyll

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Unsere Auswahl an Aktivitäten in der gesamten Schweiz, die Ihrem Gaumen schmeicheln werden.

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EIN ALPINER ROTWEIN

Doch der Amigne ist nicht die einzige Rebsorte, die ausschliesslich im Wallis angebaut wird. Es gibt auch den Durize, der besonders gut in Fully gedeiht. Wie der Cornalin, ihr entfernter Verwandter, stammt auch diese Rebsorte aus dem Aostatal. Im 19. Jahrhundert war fast die Hälfte der Anbaufläche der Gemeinde mit Durize bestockt. Dieser musste aber in der Folgezeit dem Pinot Noir und dem Gamay weichen. Erst in den 1970er-Jahren feierte die Rebsorte, die früher Rouge de Fully genannt wurde, insbesondere

 

«Mein Vater wollte dieses Erbe bewahren und besorgte sich alte Edelreiser. Heute bauen wir ihn auf über 3000 Quadratmetern an.»

 

insbesondere dank Henri Vallotons Vater ihr Comeback. Wir besuchen den berühmten Winzer, der uns begeistert seine Familiengeschichte erzählt. «Mein Vater wollte dieses Erbe bewahren und besorgte sich alte Edelreiser. Heute bauen wir ihn auf über 3000 Quadratmetern an und auch andere in der Region setzen wieder auf diese Sorte», berichtet er und spaziert dabei über seine malerische Biodomäne am La Combe d‘Enfer. Auch wenn die Lese bei dieser Sorte von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich ausfällt, ist sie doch sehr pilzresistent, beispielsweise gegenüber Mehltau, und kommt besonders gut mit der Klimaerwärmung zurecht. «Bei grosser Hitze gibt es weniger Schwankungen und das Lesegut ist robuster», erklärt er und geht zwischen den Zeilen hindurch. Die Reben wurden in die Abendsonne gesetzt, um von einer maximalen Sonneneinstrahlung zu profitieren. Der Unterschied zum Cornalin? Der Durize hat dickere Trauben und Beeren mit härterer Schale. Dieser Tatsache verdankt er seinen aus dem Lateinischen abgeleiteten Namen duracèna, der sich aus durus (hart) und acinus (Beere) zusammensetzt. Henri Valloton erzeugt daraus einen alpinen und rustikalen, sehr bekömmlichen Rotwein mit recht geringem Alkoholgehalt. «Was die Aromen und die Struktur betri!t, ist er sehr speziell. In der Nase zeigt er Noten von gekochten Dörrpflaumen, Cayennepfeffer, Unterholz und Vanille. Im Sommer der ideale Begleiter zu Gegrilltem», versichert er. Auch wenn einige Cuvées in den ersten Jahren gewisse Bittertöne aufweisen, so schwächen sich diese mit der Zeit ab. Der Wein wird dann ausgewogener und offenbart einen Geschmack nach Walderdbeere und Kirsche. «Ein Winzer muss sich gedulden können. Auch das macht diesen Beruf so reizvoll.»

DAS PUBLIKUM FÜR EINEN WEIN BEGEISTERN

Der Amigne ist eine Walliser Spezialität und wird insbesondere von einer Vereinigung von Einkellerern in Vétroz in den Mittelpunkt gestellt, die eine Einstufung der Cuvées nach dem Restzuckergehalt vornehmen, der durch eine bis drei Bienen gekennzeichnet wird. Ausserdem stellen sie zahlreiche Events auf die Beine, wie etwa Massage- und Verkostungsabende. «Das Publikum wird jünger, das sind gute Neuigkeiten», betont der Winzer Vincent Papilloud aus Vétroz, der in Kürze einen der modernsten Keller im Ort eröffnen wird, um dort Besucher zu empfangen.

EINE REBSORTE AUS SAVOYEN

Mit diesen weisen Worten im Gepäck setzen wir unsere Reise Richtung Genferseeregion fort, genauer gesagt nach Lavaux, wo uns Vincent Chollet erwartet. Sein sieben Hektar grosses Bioweingut Mermetus in Aran-Villette (VD) thront majestätisch über dem See und bietet einen unverbaubaren Blick auf das andere Seeufer und Frankreich. Das Panorama steht in perfektem Einklang mit dem Thema des Tages, denn eine der Lieblingsrebsorten unseres Gastgebers, der Mondeuse Noire, stammt ausgerechnet aus Savoyen. Diese seit der Römerzeit hier anzutre!ende Sorte war zwar lange Zeit eine der wichtigsten Rebsorten der Region, verschwand aber nach und nach von den Hängen von Lavaux, und zwar insbesondere im Zuge der Reblaus-Krise. «Dieser aus den USA eingeschleppte Schädling vernichtete Ende des 19. Jahrhunderts die europäischen Reben. Erst hundert Jahre später importierte mein Vater Henri neue Pflanzen aus Savoyen. Er war ein Pionier», berichtet der Winzer, der das Weingut 2010 übernommen hat. Heute baut er dort auf 5000 Quadratmetern den Mondeuse auf tiefen, sandigen Böden an, die aus Gletschermoränen entstanden sind. «Dadurch trotzt diese robuste Rebsorte langen Hitze- und Dürreperioden. Idealerweise findet die Lese zu einem späten Zeitpunkt statt, damit die Beeren den Geschmack des Herbstes aufnehmen können.» Dann werden die dicksten Beeren zu Roséwein verarbeitet. Und die konzentriertesten zum so genannten Vin du Bacouni, in Anlehnung an die früheren Schiffer am Schweizer Ufer des Genfersees. Vincent Chollet beschreibt ihn folgendermassen: eine purpurrote Farbe mit violettem Schimmer, eine komplexe Nase nach reifen Trauben und Gewürzen sowie ein leichter, tanninreicher und sinnlicher Mund. Das können wir nur bestätigen. «Seine positiven Ernährungswirkungen sind ebenfalls interessant, denn sein Alk holgehalt liegt selbst bei der dem Klimawandel geschuldeten grossen Hitze selten über 12 %. Er ist der ideale Begleiter zu erlesenen Feinschmeckergerichten sowie zu einer leckeren Rucksackverpflegung», betont er immer wieder gerne.

EINE RARITÄT, DIE ES ZU BEWAHREN GILT

Apropos Rucksack – wir machen uns wieder auf den Weg. Wir wechseln die Landschaft und den See und fahren nach Vully. Hier zeigt sich der germanische Einfluss sogar im Namen der für die Region typischen Rebsorte, dem Freiburger. Dabei handelt es sich um eine Kreuzung aus Silvaner und Pinot Gris, die im Jahr 1916 in Deutschland in Freiburg im Breisgau erfolgte. In den 1950er-Jahren hatte sie der Vater von Jean-Daniel Chervet importiert und inzwischen wird sie schwerpunktmässig in der Region angebaut. Scheinbar liegt den seltenen Rebsorten sehr oft eine Familiengeschichte zugrunde… «Das stimmt», bestätigt der Winzer, der in Praz (FR) am

 

«Der Freiburger geht in Richtung Chasselas, ist aber reichhaltiger. Weltweit beträgt die Anbaufläche nur gut zwanzig Hektar.»

 

Murtensee ansässig ist. «Mein Vater Louis entdeckte diese Sorte bei einem Praktikum in Deutschland und beschloss, sie bei uns anzupflanzen. Auch heute bringt sein Weinberg noch Ertrag, was recht aussergewöhnlich ist!» In den letzten Wochen waren der Winzer und sein Team mit Entlauben beschäftigt, denn der Freiburger ist sehr stark belaubt und hat zahlreiche kleine Blätter. «Das ist eine Mordsarbeit. Doch dafür liegt der Ertrag sehr gleichmässig bei 750 Gramm Trauben pro Quadratmeter, was ganz ordentlich ist», sagt er. Wie andere Rebsorten profitiert der Freiburger derzeit von der Klimaerwärmung und entfaltet sich noch stärker in der Molasse der hiesigen Böden. Jean-Daniel Chervet baut daraus einen au drucksstarken und rassigen trockenen Weisswein mit schöner Säure und Noten von Akazienblüte, Quitte und Maracuja aus. «Er geht in Richtung Chasselas, ist aber reichhaltiger. Ich hänge sehr an ihm, denn er ist eine Seltenheit. Weltweit beträgt die Anbaufläche nur gut zwanzig Hektar», verkündet er. Im Vully haben die Erzeuger des Freiburger eine Charta unterzeichnet, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Vor kurzem hat sogar der Kanton Freiburg welchen angepflanzt und 2021 seinen ersten Jahrgangswein angeboten.

REVIVAL

Die sechste und letzte Etappe unseres Roadtrips führt uns weiter nach Norden, nach Laufen-Uhwiesen (ZH). An diesem Abend sind wir nur einen Steinwurf vom Rheinfall entfernt. Die Gegend verfügt über ein ganz eigenes Mikroklima und einen sandigen Boden, wie ihn der Räuschling, eine der ältesten Rebsorten der Welt, liebt. In Deutschland wurde er lange Zeit rund um Landau in der Pfalz angebaut, wo er erstmals 1546 erwähnt wurde. Heute ist er aber aus seinem Ursprungsgebiet praktisch verschwunden und findet sich nur noch in der Deutschschweiz. «Doch sein Erfolg war nicht von vornherein klar», weiss Nadine Besson- Strasser, die das Familienweingut 2009 übernommen hat. «Lange Zeit hatte er einen schlechten Ruf. Denn nach einem verregneten Frühjahr konnten sich die Erträge bisweilen halbieren. Zudem empfanden ihn die Menschen als sehr sauer und sagten, er eigne sich perfekt zum Fensterputzen», lacht sie. In den 1980er-Jahren wurde er durch den Riesling-Silvaner ersetzt, ist aber heute wieder zu einer von Verbrauchern und Winzern geschätzten Sorte geworden, denn er ist widerstandsfähig gegenüber Dürre, Peronospora und Botrytis. «Er ist frisch, mineralisch und zart, mit Zitrusnoten. Ich geniesse ihn gerne zu Fisch, denn wir sind ja hier am Rhein», betont die Winz rin, die biologisch-dynamischen Weinbau betreibt. Sie bietet ihn in drei verschiedenen Sorten an: als Weisswein, im Barrique ausgebaut (Fumé) und als Schaumwein. Aber was bedeutet Räuschling eigentlich? «Manche glauben, der Name leite sich vom dichten Laubwerk ab, das im Wind besonders kräftig rauscht. Aber die Namensdeutung überlasse ich jedem selbst», lächelt sie. In einigen Wochen beginnt die Lese und Nadine Besson-Strasser ho!t, dass das schöne Wetter bis dahin hält. «Bei Regen könnten die Beeren aufplatzen und faulen, aber wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen. Im Moment sind die Reben wunderbar. Das ist ein gutes Zeichen.» Ein Omen, das wir all jenen wünschen, die unseren Weg gekreuzt haben. Auf das sie auch weiterhin die Rebsorten erhalten, die Generation für Generation die Geschichte des Schweizer Weinbaus erzählen.

Lila Erard