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Auf den Strassen der Schweiz ist Biomethan immer noch im Rennen

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BIOGAS IST IMMER NOCH IM RENNEN


Biomethan, das gemeinhin als Biogas bezeichnet wird und das nationale Erdgasnetz speist, ist seit mehreren Jahrzehnten eine Alternative zu Benzin. Der Vormarsch der Elektroautos stellt jedoch eine Herausforderung für die Marktteilnehmenden dar, die nun auf den Schwerverkehr setzen.

Trotz Elektro-Boom bleibt Biogas

Obwohl sie weniger populär sind als Elektrofahrzeuge, bleiben mit Biomethan betriebene Verkehrsmittel aus ökologischer Sicht eine überaus interessante Alternative. Einblick in diesen Kraftstoff, der nur mit Mühe Autofahrende überzeugt, jedoch ein vielversprechendes Wachstum bei Transportunternehmen verzeichnet.

Ich fahre mit Erdgas», «Ich fahre mit Biogas». Wenn Sie des Öfteren auf den Strassen der Schweiz unterwegs sind, ist Ihnen sicherlich schon einmal eines dieser Logos mit dem grünen Blatt aufgefallen, das in Form eines Aufklebers Autos, Busse oder Lastwagen ziert. Womöglich haben Sie sich gefragt, was diese beiden Bezeichnungen eigentlich bedeuten, und vor allem, was diese unterscheidet. Beginnen wir zunächst mit einer kurzen Begriffsklärung: Sowohl Erdgas als auch Biomethan (der Begriff «Biogas» wird fälschlicherweise verwendet, in Wirklichkeit handelt es sich um Biomethan) sind Kraftstoffe, die das Benzin in Fahrzeugen ersetzen können. Während Erdgas jedoch eine erschöpfbare fossile Ressource ist, die beim Abbau von Kohlenstoff entsteht, welcher in geologischen Formationen gespeichert ist, stammt Biogas aus der Vergärung von organischem Material und ist daher erneuerbar. «Auch ihre Zusammensetzung unterscheidet sich. Erdgas besteht fast ausschliesslich aus Methan, während sich Biogas aus knapp 60 % Methan und 40 % Kohlendioxid zusammensetzt », erklärt Yves Membrez, Vertreter von Biomasse Suisse, dem Dachverband der Produzenten.

EIN SEIT 40 JAHREN VERWENDETER KRAFTSTOFF

Biogas wird also aus organischen Stoffen wie Hofdünger, Gülle und Mist, Abwasser, Speisereste oder Pflanzenabfälle gewonnen. Diese Biomasse wird in eine Vergärungsanlage gegeben, die sie unter Ausschluss von Sauerstoff und mit Hilfe von Bakterien in Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2) umwandelt. Im Anschluss wird das Produkt gereinigt, indem es vom CO2 befreit wird, um ausschliesslich Methan zu erhalten. «Das gewonnene Biomethan wird entwedere in das Erdgasnetz eingespeist, um Heizkessel zu versorgen oder Strom zu erzeugen, oder aber direkt als CNG (komprimiertes Erdgas) in einer Tankstelle zum Antrieb von Fahrzeugen verwendet», führt Yves Membrez weiter aus. Die Produktrückstände, der so genannte Gärrest, sind ein organischer Dünger, der auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht werden kann. In der Schweiz wurden die ersten mit CNG betriebenen Autos bereits vor vierzig Jahren in den Verkehr gebracht. Heute sind es etwas mehr als 14’000 Fahrzeuge von den 6,3 Millionen in unserem Land. Ein eher bescheidener Anteil im Vergleich zu den rund 70’000 Elektrofahrzeugen, die auf den Schweizer Strassen unterwegs sind. «Die Hersteller diktieren die Regeln. Davon gibt es auf diesem Markt leider nicht sehr viele», bedauert Yves Membrez.

EINSPARUNGEN AN DER ZAPFSÄULE

Derzeit gehören Volkswagen, Audi, Seat, Skoda und Fiat zu den einzigen Marken, die gasbetriebene Fahrzeuge produzieren Allerdings macht dieses Angebot nur einen sehr geringen Teil ihres Produktsortiments aus, während die Auswahl an Elektromodellen stetig steigt. «Die Elektrounternehmen waren geschickter und schneller als die Gasunternehmen. Ihnen ist es gelungen, die Botschaft zu verbreiten, dass ihre Alternative am besten für die Herausforderungen des Klimawandels geeignet ist», analysiert Yves Membrez. Das Au bremsen von Biogas hat darüber hinaus ökonomische Gründe: Der Bau von Photovoltaikmodulen erfordert weniger Investitionen als eine Biogasanlage. Dem Eingeständnis des Dachkonzerns zufolge scheint der Kampf um Pkws kein leichtes Unterfangen zu werden. Biogas hat laut Yves Membrez dennoch eine Zukunft bei Lastkraftwagen und Langstreckentransporten. «Ein Elektro-Lkw kostet etwa doppelt so viel wie ein Dieselfahrzeug, während ein mit Biogas betriebener Lastwagen nur etwa 15 % teurer ist.» Auch an der Zapfsäule könnten erhebliche Einsparungen gemacht werden. Das Unternehmen Henry Transports ist in Vufflens-la-Ville (VD) in der Bau- und Entsorgungsbranche tätig. An der Spitze eines Fuhrparks mit knapp hundert Lkws investierte die Gesellschaft vor sieben Jahren in vier gasbetriebene Hausmüllfahrzeuge. «Der Gaspreis beträgt Fr. 1.44 pro Kilo gegenüber Fr. 1.90 pro Liter Diesel. Unsere Gas-Lkws verbrauchen 63 Kilo pro 100 Kilometer statt 83 Liter beim Diesel. Wir sparen also 65 Rappen pro Kilometer », erklärt der Direktor von Henry Transports, Eric Morier.

WENIGER CO2-EMISSIONEN

Interessant ist auch die Umweltbilanz von Gasfahrzeugen im Vergleich zu Benzinern. In der Schweiz enthält das an der Zapfsäule verfügbare Erdgas knapp über 20 % Biogas, wodurch CNG bis zu 40 % weniger CO2- Emissionen als Benzin und praktisch keine Feinstaubemissionen verursacht. Bei einer ausschliesslichen Verwendung von Biomethan wird mit dieser Leistung sogar CO2-Neutralität erreicht. «Die Produktion von Biogas erzeugt nicht nur Energie, sondern stellt darüber hinaus eine Lösung zur Abfallbeseitigung dar. Das heisst, wir erzeugen nicht nur einen Kraftstoff, sondern verwerten ohnehin vorhandenes organisches Material», sagt Yves Membrez. Derzeit werden nur 5 % der landwirtschaftlichen Biomasse der Schweiz vergärt. «Die verbleibenden 95 % werden in Form von Mist- oder Bioabfallhaufen gelagert, wodurch Methan, CO2 und Wärme in die Atmosphäre freigesetzt werden», fügt Eric Morier hinzu. Laut dem Dachverband der Produzenten könnte die gesamte in der Schweiz verfügbare Biomasse 400’000 Autos mit je 15’000 Kilometern pro Jahr versorgen. Zahlen, die das Potenzial von Biogas in unserem Land vor Augen führen. Doch der Weg dorthin ist noch lang und voller Hindernisse.

Aurélie Jaquet

FRAGEN AN PHILIPPE PETITPIERRE, PRÄSIDENT VON HOLDIGAZ

Welche Rolle spielte die Schweiz bei der Entwicklung der Mobilität mit Erdgas?

Dieser Antrieb wurde in den 1960er-Jahren in Neuseeland entwickelt und anschliessend in den Vereinigten Staaten und in Italien perfektioniert. Aber bei uns in Vevey (VD) wurde Anfang der 1990er-Jahre die Umrüstung der Fahrzeuge von Benzin auf Gas optimiert und unser patentiertes System wurde in hunderttausende Fahrzeuge eingebaut.

Heute wird Gas jedoch weniger verwendet …

Ja, und das trifft auf ganz Europa zu. Die Automobilbauer sind zwar davon abgerückt, aber es bleibt bei Lastwagen und Bussen interessant. Denn hier ist Gas vorteilhafter als Diesel, sowohl bei der Leistung als auch bei den Treibhausgasemissionen. Dieser Kraftstoff ist für die Betreiber günstig und er hat sich bewährt.

Könnte das Heil in einer Zunahme des Anteils an lokal produziertem Biomethan im Schweizer Netz liegen?

Das wäre gewiss ein wichtiges Argument, um die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen. Die lokale Biomethan-Produktion lässt sich zwar nicht von heute auf morgen hochfahren, aber schliesslich sind derzeit 100 % des importierten Erdgases Gegenstand von Kompensationszertifikaten – mit Klimaschutzprojekten im Ausland!

IN ZAHLEN

Mobilität in der Schweiz

  • Rund 14’000 gasbetriebene Fahrzeuge sind auf Schweizer Strassen unterwegs. Zum Vergleich: Unser Land verfügt über 70’200 Elektrofahrzeuge.
  • 140 Tankstellen bieten Biomethan oder Erdgas an.
  • 2021 enthielt das an den Zapfsäulen Schweizer Tankstellen verfügbare Erdgas im Durchschnitt 26 % Biogas.
  • 2020 zählte die Schweiz mehr als 630 Biogasanlagen: 119 landwirtschaftliche, 38 industrielle und 477 Kläranlagen.

DIE ABHÄNGIGKEIT VOM RUSSISCHEN GAS

In der Schweiz beträgt der Produktionspreis für ein Kilo Biomethan Fr. 2.42 gegenüber nur Fr. 1.44 für Erdgas. Ein Unterschied, der sich dadurch erklärt, dass Ersteres produziert werden muss, während Letzteres aus dem Boden gefördert wird. Im Jahr 2020 stammten 43 % aller Gasimporte aus Russland. Im Zuge des Ukrainekrieges wurde die Debatte um dieses Abhängigkeitsverhältnis neu entfacht. Eine 2017 publizierte Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) bezifferte das Biogaspotenzial der Schweiz auf rund 5 TWh, was 15 % des heutigen Erdgasabsatzes entspricht, das theoretische Potenzial sei sogar fast doppelt so hoch. Mit Biogas könnte man zwar nicht vollständig auf ausländisches Erdgas verzichten, ein Ausbau seiner Produktion könnte aber die Menge der Erdgasimporte deutlich begrenzen. Daher hat die Europäische Union kürzlich beschlossen, ihre Biogasproduktionsziele zu verdoppeln.

ECORECYCLAGE: DIE QUELLE FÜR BIOGAS

1965 war es noch ein Unternehmen, das sich auf die Anlage und Pflege von Gärten spezialisierte. Heute ist es einer der wichtigsten Biogasproduzenten in der Westschweiz. Die Geschichte von Ecorecyclage ist die Erfolgsgeschichte einer Kompostierungsanlage, die Mitte der 2000er Jahre auf Vergärung umstellte: «Wir haben Millionen investiert, um unsere Anlage in Lavigny (VD) zu erweitern, unseren Fermenter zu bauen und unsere Hallen zu überdachen», sagt Luc Germanier, Verwaltungsratsdelegierter. «Unsere Hauptaufgabe besteht darin, organische Abfälle aus einem Gebiet, das sich von Nyon bis Lausanne erstreckt, zu verarbeiten – und die Gasproduktion ist eine logische Ergänzung zu dieser Aktivität.» Wie das funktioniert? Um es kurz zu machen: Organische Abfälle, die in Haushalten, in der Landwirtschaft, im Gartenbau oder in der Gastronomie anfallen, werden zerkleinert, sortiert und kommen dann in eine Vergärungsanlage. Am Ende des Vergärungsprozesses erhält man Biogas, aus dem das CO2 extrahiert wird, um das Methan zu reinigen, welches dann in das nationale Netz eingespeist wird. Der Rest wird zu Kompost und Flüssigdünger verarbeitet. «Wir verarbeiten jedes Jahr durchschnittlich 35’000 Tonnen organische Abfälle», erläutert Luc Germanier. «Die Methanisierung verleiht unseren organischen Abfällen einen echten Wert, der es uns ermöglichen kann, wertvolle Energie zu produzieren. Der Einsatz ist enorm.»

www.ecorecyclage.ch