HS Nachhaltige Entwicklung n°1 : Das Haus der Zukunft

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RESSOURCEN: DER POSITIVE KREISLAUF


Die Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde, aber wissen wir wirklich, was dahintersteckt? Rückblick auf die Grundlagen dieses Prinzips, das immer stärker in Unternehmensstrategien einfliesst und bei dem mehrere Schweizer Start-ups eine führende Rolle spielen könnten.

Kreislaufwirtschaft: Die Schweiz hat alle Asse in der Hand

Abfälle zu recyceln ist gut, ihren gesamten Lebenszyklus zu durchdenken, noch bevor sie produziert werden, um so ihre Umweltbelastung zu reduzieren, ist besser. Mit ihrer Innovationskultur und ihren florierenden Start-ups spielt die Schweiz in diesem Bereich, der im Zentrum des aktuellen Zeitgeschehens steht, eine ernstzunehmende Rolle.

Bitten Sie Benoît Charrière darum, Ihnen in wenigen Worten das Wesen der Kreislaufwirtschaft zusammenzufassen und er wird Ihnen schlagfertig, mit einem Lächeln in der Stimme antworten: «Gute Frage! Auch wenn dieser Begriff bereits in unseren Wortschatz eingegangen ist, hat sich seine wahre Bedeutung noch nicht für jeden erschlossen.» Benoît Charrière, Geograf und Leiter des öffentlichen Dienstleistungssektors innerhalb der DSS+-Gruppe, ist im Unternehmensbereich «Nachhaltigkeit» tätig und unterstützt lokale Gemeinden und Hersteller bei ihrem Übergang zu einem ökologischeren Modell. «Die Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, Ressourcen besser zu nutzen», fasst er zusammen. «Darin unterscheidet sie sich vom Begriff der nachhaltigen Entwicklung, der auch soziale Aspekte umfasst. Ob Materie, Energie oder natürliche Ressourcen, die Idee ist, sie während ihres gesamten Lebenszyklus, von der Gewinnung bis zur Verwertung, intelligenter zu nutzen.» Von einer linearen Sichtweise mit einem Lebensbeginn und -ende bewegen wir uns hin zu einem zirkulären Ansatz – daher der Name –, was einen radikalen Paradigmenwechsel impliziert.

EIN BEWÄHRTES PRINZIP

Sie mag in aller Munde sein, in zahlreichen Diskursen, Umwelt- oder Energieprogrammen vorkommen – erst recht im aktuellen Kontext der Gesundheitskrise und Versorgungsfragen –, die Kreislaufwirtschaft ist jedoch keine neu Erfindung: «In Zyklen zu denken, sich den gesamten Weg eines Produkts vorzustellen, zu planen, wie es auf lokaler Ebene wiederverwertet werden kann, wenn es in seiner ursprünglichen Form nicht mehr verwendbar ist, beschreibt schlichtweg die Rückkehr zu den Reflexen unserer Grosseltern», sagt Benoît Charrière lächelnd. «Diese Automatismen sind uns durch die Globalisierung und Industrialisierung verloren gegangen, aber die Prinzipien sind uns schon lange bekannt.» Ein Beweis hierfür sind die Worte Henry Fords, der 1926 schrieb: «Die Verwertung und Wiederverwertung von Abfällen ist eine öffentliche Dienstleistung. Aber vorauszuplanen, damit es keine Verschwendung gibt, ist ein weitaus lobenswerterer Dienst an der Gesellschaft.»

DIE MACHT DER FINANZEN

Den Lebenszyklus einer Ressource in seiner Gesamtheit verstehen: Auf dem Papier mag das einfach sein. In der Praxis ist das weniger der Fall: Um dies zu erreichen, muss ein Industrieunternehmen bereit sein, seine gesamte Produktionsweise zu überprüfen, Prioritäten zu setzen und seine Lieferkette oder Richtlinien zu überdenken. Das Ausmass dieser Aufgabe erklärt, warum diese Herangehensweise bisher nur geringfügig umgesetzt wird, denn in der Schweiz stammen nur 13 % aller Ressourcen aus dem Recycling. Der Prozentsatz variiert je nach Material zwischen den beiden Extremen: Glas wird zu 90 % recycelt im Vergleich zu fast 0 % bei Derivaten von Erdölprodukten. Es kann also nur besser werden, vor allem in einem Land, das wie unseres über Ressourcen und Innovationskraft verfügt. Es gibt noch einiges zu tun, aber es gibt auch Anreize, die die Industrie dazu bewegen, ihre Praktiken zu überdenken: «Der wichtigste Faktor ist der finanzielle», erklärt Benoît Charrière. «Die Kreislaufwirtschaft ist eine Gelegenheit, die Kosten für Abfalle zeugung und -verwertung zu kontrollieren: die lokale Beschaffung, die Suche nach Absatzmärkten für ein Produkt am Ende seiner Lebensdauer, die Entwicklung von Synergien mit Recyclern. Das ist eine Win-Win-Situation. Hinzu kommt ein gesteigertes Umweltbewusstsein, das alle Branchen zu einem nachhaltigeren Vorgehen ermutigt. Die Wertschöpfung zurückverlagern, Innovationen fördern, sich inspirieren lassen von dem, was woanders gemacht wird … Von diesen Dingen sollten sich Unternehmen leiten lassen.»

SCHWEIZER KNOW-HOW

In diesem Gesamtbild könnte die Schweiz ein gutes Beispiel abgeben, insbesondere weil sie über ein gewisses Know-how in Sachen Innovation verfügt und im Bereich Recycling schon immer vorne mit dabei war. «Die Grösse des Landes hat die Schweizer seit jeher gezwungen, ihre natürlichen Ressourcen auf möglichst vernünftige Weise zu nutzen. Nehmen wir zum Beispiel den für Baustellen so wichtigen Kiessand: In manchen Kantonen ist er nur in begrenzten Mengen verfügbar, was die Bauunternehmen dazu veranlasst, sich für die Wiederverwertung von Altmaterialien zu interessieren. Man spricht bereits von Urban Mining. Es ist eine neue Art, mit unseren Ressourcen umzugehen.» Für das Land steht viel auf dem Spiel. Es gibt jedoch keine Brücke zwischen der Ausbildung und der industriellen Welt, die den Prozess beschleunigen würde. Und genau hier kommt Benoît Charrière ins Spiel, er begleitet KMUs mittelfristig, um ihnen die Umstellung zu erleichtern. «In diesem Bereich besteht ein echter Unterstützungsbedarf », sagt er. «Es ist eine Möglichkeit, auf unserer Ebene zu reagieren, damit es uns letztendlich gelingt, lokale Ökosysteme aufzubauen. » Es ist noch ein langer Weg, bis Abfall als Ressource betrachtet wird, aber der Erfolg einiger Schweizer Unternehmen und Start-ups (siehe Seite 40) zeigt, dass das Land bereit ist, eine Rolle bei diesem Übergang zu spielen.

Clément Grandjean

WEITERE INFOS www.consultdss.com

WEITERE ANREGUNGEN

CleantechAlps, ein Westschweizer Verbund zur Förderung neuer Technologien im Umweltsektor, hat 2021 ein umfassendes thematisches Dossier mitveröffentlicht, das die Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft für das Land zusammenfasst. Die ausführliche Broschüre ist reich illustriert und kann kostenlos online abgerufen werden.

www.cleantech-alps.com